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Standuhren aus dem 19. Jh. im Zuchthaus von Vechta 2 |
Die Vechtaer Strafanstalt als Produktionsort und Hort bedeutender historischer Standuhren |
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Anmerkung: Diese Artikel von Heinz-Günter Vosgerau wurden im Jahrbuch für das Oldenburger Münsterland 1998 veröffentlicht und sind auch als Sonderdruck erschienen. Fragen und Informationen an/für den Autor Heinz-Günter Vosgerau.
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Hier also hat Johann Röben aus Nordloh die Standuhr gebaut. Er muss gewisse Privilegien gehabt haben, um ein solches Werk unter den Verhältnissen zu erschaffen. Nach seinen Angaben hat er nicht nur das Uhrwerk sondern auch das Gehäuse erstellt, obgleich er weder Uhrmacher noch Tischler war. Die Uhr war im Besitz der Bezirksregierung und ist vom Regierungspräsidenten dem Freilichtmuseum Cloppenburg zur Verfügung gestellt worden.
Das Gehäuse entspricht in der Form dem Stil der Zeit und besitzt eine Höhe von 2.54 Meter (s. Abb.). Das emaillierte Zifferblatt hat einen Durchmesser von 32 cm. Die drei Öffnungen zum Aufziehen der Uhr im Zifferblatt sind für das Gehwerk, Stundenschlagwerk und Viertelschlagwerk. Das Viertelschlagwerk ist durch eine kleine Glocke zu hören, der Stundenschlag durch die große (s. Abb.). Die Platinen, das sind die Messingplatten, zwischen denen die Räder laufen, sind ungewöhnlich dick. Hier scheint es Röben an dem richtigen Zulieferer gefehlt haben (s. Abb.). Auch der Rand aus Messingblech , der als Auflage für das Zifferblatt dient, ist aus mehreren Stücken zusammengelötet.
Röben hat eine "Gebrauchsanweisung" für seine Uhr verfaßt und an die Innenseite der Tür des Gehäuses geklebt. Sie verrät Einzelheiten und technische Zusammenhänge:
Im Juli 1948 wurde das Werk gründlich überholt durch den Uhrmachermeister Adolf-Ernst Harms und die Uhrmacher - Fachklasse Oldenburg, Max-Curt Harms. Schüttingstraße 11. Ein Teil des beschriebenen und eingeklebten Papiers ist samt seines Texte im Laufe der 170 Jahre verloren gegangen (Abb.4). Im Folgenden soll versucht werden, den Inhalt zu verdeutlichen. Der "Herr Uhrmacher" wird gebeten, die "Gabel" (das ist der auf der Werkrückseite sich bewegende zweizinkige Hebel, der die Pendelstange begrenzt und den Impuls des Werkes auf das Pendel überträgt) so zu richten, daß die "Fiebration des Perpendicels nach allen Seiten von gleicher Dauer ist". Der Uhrmacher wird aufgefordert, die Gabel so zu richten, dass die Uhr nicht "hinkt", sondern gleichmäßig tickt. Ein zentral angeordneter Sekundenzeiger ist scheinbar verloren gegangen. Das würde auch den Hinweis des Erbauers über die Unmöglichkeit erklären, die Minutenradwelle auf ihrer ganzen Länge für die Welle des Sekundenrades zu durchbohren. Der Sekundenzeiger sitzt nicht auf einem sogenannten Sekundenrad, dass fest im Räderwerk integriert ist, sondern auf einer lose mitlaufenden Verzahnung. Nur so ist der Hinweis auf den "schlotternden" Zeiger und die "Drückfeder", die diese unkontrollierte Bewegung des Zeigers durch eine leichte Reibung verhindern soll, zu verstehen. Bei dem fehlenden Eingriffzirkel handelt es sich um ein Gerät, in dem sich zwei Räder, die ineinander greifen, einspannen lassen. Die Tiefe des Eingriffs lässt sich regulieren und kontrollieren. Durch scharfe Stahlspitzen an dem Gerät lässt sich die Entfernung der beiden Radachsen auf die Werkplatine übertragen und so die Bohrungen für die Radlager präzise festlegen. Die Anweisungen zum Regulieren der Uhr sind auch heute noch für Pendeluhren gültig, so weit Werk und Pendel noch eine Einheit bilden: Wird das Pendel verlängert, geht die Uhr langsamer, wird es verkürzt, geht sie schneller. Die Uhr besitzt drei Werke: Gehwerk, Stundenschlagwerk und Viertelstundenschlagwerk. Die Radzähne der Schlagwerke müssen in einem bestimmten Verhältnis zueinander und zu den Auslösehebeln stehen, sonst funktioniert der Schlag nicht. Röben hat diese Stellung mit Punkten kenntlich gemacht. Die verschiedenen Werke erfordern für ihren Betrieb unterschiedliche Gewichte. So müssen für die Schlagwerke mehr Kraft aufgebracht werden als für das Gehwerk. Deshalb hat der Handwerker die verschiedenen Gewichte vorsichtshalber gekennzeichnet. Die Tatsache, dass ein angeblicher Laie eine Uhr dieser Art einschließlich eines Gehäuses gebaut hat, wirft viele Fragen auf. Vielleicht gelingt es doch einmal, seine Identität zu enträtseln, seinen Beruf und sein Vorleben in Erfahrung zu bringen. Heinz-Günter Vosgerau
Fußnoten:
Für weitere Informationen wende Dich bitte an : Heinz-Günter Vosgerau, Restaurator/Uhrmachermeister |
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