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Uhren
und Uhrmacher vom Mittelrhein 2 |
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Ein Streifzug durch ihre Geschichte. |
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zu Mitterhein. Uhrmacher Die Neuwieder UhrmachereiIm 18. Jh. entwickelt sich Neuwied zu einem Zentrum der Uhrmacherei am Mittelrhein. Bevor wir die einzelnen Uhrentypen auflisten und beschreiben, sollte man die Voraussetzungen und Hintergründe erörtern, warum gerade Neuwied zu einem mittlerweile international anerkannten Mittelpunkt der Uhrmacherei wurde. Um einen schnellen Aufschwung ihrer Neugründung Neuwied zu erreichen, gewährten die Grafen zu Wied ansiedlungswilligen Neubürgern vielerlei Privilegien. Besonders erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die „Glaubens- und Kultusfreiheit". Sie führte zur Ansiedlung von Mennoniten und Herrnhutern. (1) Die Mennoniten (2) stammten überwiegend aus der Schweiz, von wo sie mit Gewalt vertrieben wurden. Sie fanden dann eine Siedlungsmöglichkeit in der Pfalz. Intoleranz führte dort zu einer erneuten Abwanderung der Mennoniten, unter anderem nach Neuwied. Die merkantilistisch orientierte Toleranzpolitik der Grafen zu Wied war eine der Grundlagen für den schnellen wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt Neuwied und auch die Grundlage der Uhrmacherei. (3) Waren die Auftraggeber für den Bau von Uhren im Mittelalter, der Renaissance und im Frühbarock noch der Adel, die Kirche und die Städte, so entwickelte sich Anfang des 18. Jh. ein Bedarf aus dem Bürgertum heraus. Kinzing Der Name Kinzing ist in Neuwied seit den Anfängen der dortigen Uhrmacherei mit dieser eng verbunden. Ursprünglich übte die Familie Kinzing im Raum Neuwied, Ende des 17. Jh. und Anfang des 18. Jh., den Müllerberuf aus. Christian Kinzing I. (s.a. hier) wurde schon 1740 als Uhrmacher genannt. Sein Bruder Peter III., angeblich Orgelbauer, starb mit 34 Jahren, im Jahr 1743. Fabian vermutet einen weiteren Bruder, der nach Peters Tod, 1743 die Werkstatt teils mitführte, denn die erste Prunkuhr, für Hüsgen (der auch aus Neuwied stammte) wurde „Fratres Kintzinger Artifices Autodidacti fecerunt" signiert. Diese Uhr wird zwischen 1751 und 1755 datiert, obwohl sie bei weitem nicht die erste Kinzing-Uhr sein kann. (4) Vermutlich ähnelten die ersten Uhren von Kinzing der einzeigrigen Standuhr, die in der Ausstellung zu sehen ist. Da sich die Gebrüder Kinzing „Autodidacti" nannten, nimmt man an, dass sie keine formelle Lehre im üblichen Sinne der Zunftordnung durchliefen. In der „neuen" Stadt Neuwied gab es offensichtlich kein dominantes Zunftwesen. Die handwerksmäßige bzw. soziale Aufsichtspflicht, die sonst von den Zünften ausgeübt wurde, erfolgte in Neuwied durch die einzelnen Religionsgemeinschaften. Städte wie Augsburg oder Würzburg hatten vor dem „Dreißigjährigen Krieg" eine sehr starke Uhrmachertradition und eigene Uhrmacherzünfte. (5) Diese Uhrmacherzünfte übten einen sehr restriktiven Einfluss auf ihre Mitglieder aus. In anderen Städten, die keine Uhrmacherzunft hatten, wurden die Uhrmacher in der Kleinschmiede- oder Büchsenmacherzunft geführt. Auch in solchen Städten war das Meisterstück für die Uhrmacher festgeschrieben. (6) Trotz der Bezeichnung „Autodidacti" müssen sich die Uhrmacher Kinzing ihr Handwerk irgendwo und irgendwann angeeignet haben. Der Aufbau ihrer frühen Werke zeigt die konventionelle Technik des 18. Jh. auf, die in England und Frankreich zu dieser Zeit üblich war. Die Platinenbauweise der frühen Kinzing-Uhren, im Gegensatz zu der Prismen- oder Stangenbauweise, die man in den süddeutschen Uhren, Comtoisen und frühen bergischen Uhren findet, beweist, dass die Kinzings ihre Vorbilder in den englischen, holländischen oder Pariser Uhren des 17. und 18. Jh. gesucht haben. Ihre frühen einzeigrigen Standuhrwerke haben Ähnlichkeiten mit englischen Standuhrwerken, obwohl die Schlagwerksauslösung ohne Vorlauf sonst nur in süddeutschen oder friesischen Uhren zu finden ist. Dieses System wurde aber kurz darauf wieder von ihnen aufgegeben, und es wurde die übliche Schlagwerksauslösung mit Vorlauf, wie in englischen und französischen Uhren, benutzt. Das Zifferblatt der frühen Kinzing-Uhren mit graviertem Zahlenreif und Eckappliken ist auch vergleichbar mit dem der frühen englischen Uhren des 18. Jh. Die geschlossene Kopfform mit oben liegender Glocke findet jedoch Parallelen in Pariser Pendulen dieser Zeit oder den ersten Schweizer Wanduhren. Zur gleichen Zeit erscheinen solche Köpfe allerdings auch im bergischen Raum bei Uhren mit Stangenwerken. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden: Auch wenn der erste Uhrmacher der Kinzing-Familie keine übliche Lehre absolviert hatte, muss er, trotz aller Ingeniösität und technischen Begabung, mindestens ein Vorbild für seine erste Arbeit gehabt haben. Wahrscheinlicher ist, dass er doch bei einem anderen Uhrmacher mitgearbeitet hat. (7) Er wäre zu dieser Zeit allerdings nicht der Einzige in Deutschland, der anscheinend keine formelle Lehre absolvierte. Beispiele hierfür sind Möllinger in Neustadt und Winkel in Elberfeld. Sie haben hervorragende Uhren gebaut, ebenso wie viele andere, die einfachere Uhren hergestellt haben, wie z.B. Herder in Solingen.
Weitere Uhrmacher (u.a. Achenbach) Die Nachfrage nach Uhren aus dem Bürgertum in der Umgebung von Neuwied muss groß genug gewesen sein, um mehr Uhrmacher als die Kinzings zu ernähren. Schon Mitte des 18. Jh. nahm die Werkstatt Kinzing den Mitarbeiter Achenbach aus Marienborn bei Siegen auf, der kurz danach in die Familie einheiratete. In seinem Heiratsgesuch von 1759 nennt Achenbach Christian Kinzing „seinen Meister". Andere Verwandte der Kinzing-Familie übten mittlerweile auch den Uhrmacherberuf aus, z.B. Rupp und Gramm. Nicht verwandt mit den Kinzings war die Familie Preudhomme, die in der zweiten Hälfte des 18. Jh. auch in Neuwied tätig war. Sie stellte offensichtlich Kleinuhren her, obwohl eine Tischuhr in einem Roentgen-Gehäuse den Namen Preudhomme trägt. Ein wichtiger Mitarbeiter in der Kinzingwerkstatt war auch Anton Roetig, der sich später in Hachenburg selbständig machte. Das tägliche Brot dieser Uhmacher wird die Herstellung von robusten Standuhren für den heimischen Markt am Mittelrhein gewesen sein. Sie stellten 30 Stunden und acht Tage gehende Uhren her, aber die meisten heute noch existierenden Uhren aus dieser Zeit haben 30-Stunden-Werke mit einfachem Stundenschlag und Repetiermöglichkeit (10). Die Kästen der Uhren waren aus Eiche oder dem billigeren Weichholz. Mit wenigen Ausnahmen wurden die Platinen aus relativ dickem Messing gemacht. Zur gleichen Zeit entwickelte sich in den benachbarten Regionen von Neuwied die Uhrmacherei unter ähnlichen Bedingungen. Die Uhren zeigten vergleichbare und gleichzeitig unterschiedliche Merkmale. Die linksrheinischen Uhrmacher, in Richtung Aachen, stellten auch hauptsächlich 30-Stunden Uhren her, allerdings in Prismen- oder Stangenbauweise. Die bergischen Uhrmacher bauten fast ausschließlich Achttage-Uhren, vorwiegend mit Eisenplatinen oder Eisenstangenwerken (11). Die Glocken wurden außerhalb des Uhrengehäuses auf ihm angebracht, damit man den Schlag - der meist einzigen Uhr - im Hause, in allen Räumlichkeiten besser hören konnte. Viele dieser Uhren befinden sich noch heute im ursprünglichen Privatbesitz. Dies beweist, dass sie in einem Umkreis von ungefähr 100 km exportiert, bzw. geliefert worden sind. Achenbach lieferte bis 1770 mehrere Uhren in seine Heimat, bevor die Siegerländer selber anfingen, den dortigen eigenen Uhrenbedarf zu decken. (12) Aber ab 1770 entwickelte sich allgemein offensichtlich mehr Konkurrenz bei sicherlich steigender Nachfrage. Die bekannten und international anerkannten Meisterwerke der Neuwieder Uhrmacherei entstanden in Zusammenarbeit mit den Ebenisten Roentgen (s.a. hier) Die Partnerschaft von Peter Kinzing und David Roentgen ist schon von internationaler Bedeutung, obwohl die Familie Roentgen durchaus auch mit Achenbach gearbeitet haben muss. Es ist sowieso eindeutig, dass Kinzing und Achenbach, trotz separater Werkstätten, eng zusammengearbeitet haben. Die Höhepunkte dieser Kooperation von Ebenist und Uhrmacher zwischen 1770 und 1785 waren die Musikkabinett-Uhren, die an europäische Fürstenhäuser geliefert wurden. In ihrer Gattung sind sie Meisterwerke, die zur damaligen Zeit in ihrer Kompliziertheit von keinem Konkurrenten übertroffen wurden. In diesem Zusammenhang muss der von Roentgen und Kinzing gebaute Androide erwähnt werden, der sich in Paris befindet. Er lässt sich mit den Androiden von Jacquet Droz im Musée d'Art et d'Histoire, Neuchätel in der Schweiz vergleichen. (13) Der Pariser Androide besteht aus einer Puppe als Zimbalspielerin, die vor einem kleinen Klavier sitzt und wahrhaftig darauf spielt. Dieser Androide wurde Ende 1784 / Anfang 1785 der französischen Königin Marie Antoinette von den Meistern präsentiert. (14) Kinzing hatte schon vor 1781 von der Königin den Titel eines „Horlogerde la Reine" (Uhrmacher der Königin) verliehen bekommen. Eine andere nennenswerte Innovation, die aus der Kooperation der Ebenisten- und Uhrmacherwerkstätten entstand, war die Entwicklung und der Bau der Neuwieder Franklin-Uhren, die auch als Drei-Räder-Uhren bezeichnet werden. Dieser Uhrentyp geht auf eine Erfindung von Benjamin Franklin zurück, die von seinem berühmten Freund, dem englischen Astronomen James Ferguson publiziert wurde. (15) Franklin weilte längere Zeit in Paris, wo sich zeitgleich auch Roentgen und Kinzing aufhielten. Es ist möglich, dass sich die Neuwieder durch einen persönlichen Kontakt mit Franklin in Paris zur Weiterentwicklung und zum Bau dieser Uhren inspirieren ließen. (16) Trotz der Herstellung dieser wahrlichen Meisterwerke dürfte die Produktion einfacher Uhren für den heimischen Markt fortgeführt worden sein. Wir sind nicht unbedingt der Meinung wie Fabian, dass alle diese einfachen Uhren vor 1770 zu datieren sind. Es ist eher der Fall, dass manche dieser Uhren über 1780 hinaus für den heimischen Markt, das Bürgertum, gebaut wurden. Nachdem Roentgen seine Werkstatt gegen 1795 auflöste und sich auf Reisen begab, um seine letzten Möbelstücke zu verkaufen, führte Kinzing seine eigene Werkstatt weiter. Diese wurde später dann von seinen Söhnen Christian und Carl weitergeführt. Vom Zeitpunkt der Übernahme durch die Söhne an wurden keine bemerkenswerten Uhren mehr produziert. Es sind aus dieser Zeit eine Standuhr und eine Bilderuhr (17), die als Motiv die Pfalz bei Kaub zeigt, bekannt . (18) Hermann Christian Langerhans (Anmerkung UhrenH@nse) Auch dem Neuwieder Umfeld zuzurechnen ist der Uhrmacher Hermann Christian Langerhans (Bendorf, später Krefeld) Beschreibung einer Bodenstanduhr mit
Musikwerk " ..... Auf dem rechten Spielwalzenhalter aus Messing die Signierung „Langerhans in Crefeld". Das Gehäuse stammt aus der Werkstatt David Roentgens in Neuwied, wo zwischen 1785 und 1791 20 derartige Uhrenmöbel hergestellt wurden. Uhr- und Musikwerk wurden von Hermann Christian Langerhans, (25.8.)1754 in Bendorf geboren, gefertigt. Er lernte bei Kintzing in Neuwied das Uhrmacherhandwerk und baute Uhren, Musikwerke und vor allem astronomische Uhren, später in Krefeld auch einen verbesserten Samtbandwebstuhl. Siehe auch Nr. 154, S. 271, Spindeltaschenuhr." H.C. Langerhans starb am 2.3.1839 in Bendorf. Entnommen aus Katalog "Aus der Uhrzeit" - Die Uhrensammlungen des Museums für Angewandte Kunst und des Kölnischen Stadtmuseums, bearbeitet von Helmut Krieg mit Beiträgen von Gerhard Dietrich, Harald Hasberg, Herbert Wilmes, Stadt Köln 1987 |
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