Die Mechanik der Morez-Uhren (Autor Emil Hänseler)


 Aufbau, Hemmungen und Schlagwerk

Die "Morez" ist ein Zeitmesser mit Pendel und Gewichtzug. Das Gewicht hängt am Ende einer Hanfschnur, die mit einer Kurbel auf die Schnurtrommel gewickelt wird. In der ersten und zweiten Uhren-Generation bestehen die Trommeln aus Holz, nachher aus Messing. Das Uhrwerkgestell ist aus Eisen. Vier Träger aus Flachstahl tragen die Triebwellen mit den Messingrädern. Die zwei Triebwerke, eines für das Gehwerk und eines für das Schlagwerk, sind nebeneinander angeordnet, das Gehwerk (vom Zifferblatt her gesehen) links, das Schlagwerk rechts. Berechnet sind sie für eine Gangdauer von einer Woche.  

Uhren der ersten, zweiten und dritten Generation haben eine Spindelhemmung (oberes Bild), jene der vierten Generation eine Ankerhemmung (unteres Bild). Die Ankerhemmung ermöglicht ein verschleissärmeres Bewegen des schwereren Pendels dieser Uhren.

Die Spindelhemmung

Das Gehwerk der Morez-Uhr mit Spindelhemmung, wie sie von der ersten bis zur dritten Generation angewendet wurde. Zwei Spindellappen regulieren - vom Pendel gesteuert - den Ablauf der Zeit.

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Die Ankerhemmung 

In der vierten Generation wurden die Uhren mit einer Ankerhemmung gebaut. Diese ermöglichte die Verwendung des schwereren Lyrapendels.

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Das Rechenschlagwerk bewirkt die Intelligenz der Morez-Uhr. Sie schlägt immer die Stunde, auf welche der Zeiger auf dem Zifferblatt weist. Die "Morez" schlägt die vollen Stunden und die Halbstunden. In der Regel repetiert sie nach etwa zwei Minuten den Stundenschlag. Bei gewissen Baumustern kann der volle Stundenschlag mit einer Zugschnur manuell wiederholt werden. Der relativ laute Glockenschlag war damals für die Bauernhöfe wie geschaffen, denn er war in allen Gebäuden zu hören. (In den heutigen Stadtwohnungen dämpft man ihn normalerweise.)

In den ersten zwei Uhren-Generationen sind die Uhrwerk-Gestelle meistens 24,5 cm hoch, 24 cm breit und 14,5 cm tief. In der dritten Generation betragen diese Masse oft 32 x 27,5 x 15 cm.

Eine Rückwand und zwei Seitentüren schützen das Werk vor Staub. In der dritten Uhren-Generation werden die bisher schmucklosen Seitentüren gelegentlich mit einfachen Ornamenten verziert. 

Einblick in das Gehäuse

Das Gewicht treibt über die Schnur und Schnurtrommel das Gehwerk mit der Spindelhemmung. Auffallend ist die hohe Aufhängung der Pendelstange hinter der Glocke.

  

Seitenansicht des Schlagwerks

Gut sichtbar (Bildmitte) ist der Windflügel, der für einen langsamen, gleichmässigen Schlag sorgt. Zwei verschiedene Hämmer schlagen die Halb- bzw. die volle Stunde.

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  Das Pendel

Ein grosser Nachteil der Waag als dem bis spät ins 17. Jahrhundert absolut vorherrschenden Zeitnormal war ihre geringe Genauigkeit, denn die Waag führt ja lediglich eine durch den Uhrwerksantrieb erzwungene Schwingung aus. Infolgedessen kann sie keine gleichmässige Schwingungsdauer gewährleisten, zumindest solange der Antrieb nicht absolut gleichmässig ist. Nachdem Galilei den Isochronismus - die fast gleiche Dauer auch unterschiedlich weiter Schwingungen - erkannt hatte, und mit zunehmender Bedeutung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse, war die Benützung des Pendels zur Zeitmessung fast zwangsläufig (Modell - Bild links).  

 

Die um 1640 von Galilei beschriebene Pendelhemmung erlangte noch keine (wirtschaftliche) Bedeutung. Ihre Funktionsfähigkeit ist jedoch bereits durch die wesentlichen Merkmale der späteren Hemmungen bestätigt: Ein weitgehend frei schwingendes Pendel, das vom Uhrwerk in Schwingung gehalten wird, dieses aber gleichzeitig hemmt. Der Holländer Huygens führte 1656 die Pendelschwingung  mit einer modifizierten Spindelhemmung ein. Er baute Spindelrad und Spindel horizontal in das Uhrwerk ein und koppelte die Bewegung der Spindel mit der Pendelschwingung (Bild rechts).

Birnenpendel (links) bestimmen den Gang der Uhren, die zwischen 1680 und 1830 gebaut wurden. Das Bleigewicht am Ende einer Kette aus Drahtgliedern schwingt hinter den Gewichten. 
 
Das Scheibenpendel (oder Linsenpendel) ist ein Merkmal der dritten Uhren-Generation (1820 bis 1860). Bei frühen Uhren der 3. Generation schwingt es  noch hinter, nach 1835 - 1840 vor den Gewichten. Die Stange lässt sich zum Transportieren falten.
 
Das Lyrapendel (3. von rechts), Merkmal der vierten Uhren-Generation (1850 bis 1915): Was anfangs nur den Zweck hatte, den Gang des Werkes zu steuern, wird hier zu einem Dekorationselement. Am Rost aus fünf bis elf  Eisen- und Messingstäben ist eine grosse polierte Linse befestigt. Ein zusätzliches Schmuckelement, die Lyra, prägt den Namen "Lyrapendel".

Das Prachtpendel: Nach 1860 erscheinen prunkvolle, 25 bis 35 cm breite Pendel auf dem Markt. Das Bild (rechts) ist ein Ausschnitt aus dem Katalog einer spezialisierten Stanz- und Prägewerkstatt in Morbier.  

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Die Gewichte
Gewichte aus Stein, Blei oder, vor allem, aus Eisenguss liefern die Kraft, damit die Uhr läuft. Jedes Gewicht wiegt 3,5 bis 5 Kilo. Spindeluhren brauchen leichtere, Ankeruhren schwerere Gewichte.
Von links n. rechts: (1) Blei, (2) Eisenguss alt, (3) Stein, (4 und 5) Eisenguss "moderne" Form, (6 und 7) 19. Jahrhundert, (8 und 9) 18. Jahrhundert

Auch die Gewichte haben sich im Laufe der Zeit verändert.

1700 bis 180
Konische, längliche Form, oben sphärisch, unten roh und porös, mehr oder weniger flach
16 bis 21 cm hoch
2,5 bis 3,5 kg

1750 bis 1850  
Oben eiförmig, unten flach, gute Qualität
15 bis 18 cm hoch
4 kg

1800 bis 1915
Oben eiförmig, regelmässig zylindrisch
18 bis 20 cm hoch
3,750 bis 4.5 kg    

Die Gewichte für Uhren "à grandes complications" und 1 Monat-Werk können 7 bis 8 kg schwer sein.


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