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Uhrmacherschule
Karlstein an der Thaya, Österreich 2 |
Uhrmacherausbildung seit 1873 - Die Konsolidierung |
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zu Karlstein Die Konsolidierung1878 begann mit der Bestellung von Dipl.-Maschineningenieur Kurt Dietzschold aus Dresden der Aufschwung. Aus Glashütte in Sachsen, damals Mekka der deutschen Uhrmacherkunst, brachte er reiche Erfahrung auf dem Gebiete des Präzisionsuhrenbaues. Durch seine weiten Beziehungen zur Uhrenwirtschaft war es möglich, Fachkräfte aus den Zentren des Uhrmacherhandwerkes nach Karlstein zubringen. So konnte der Direktor der Genfer Uhrmacherschule Enzmann und ein Werkmeister aus Nürnberg nach Karlstein verpflichtet werden. Die Schule wurde in der Folge immer mehr auf das Uhrmachergewerbe, mit besonderer Berücksichtigung von Präzisionsuhren, ausgerichtet. Der Lehrplan stand 1881 in seinen Grundzügen fest. Man unterrichtete wöchentlich mehr als 60 Stunden, davon waren 50 Stunden Werkstättenunterricht. Im Theorieunterricht standen in der 1. Klasse die Gegenstände Geometrisches Zeichnen, Technisches Zeichnen, Mechanik und Physik, Materialkunde, Stilistik und Rondschrift auf dem Plan. In der 2. Klasse unterrichtete man Zeichnen, Getriebelehre, Uhrenkunde, Algebra, Geschäftsaufsätze, Buchführung und Maschinenkunde, während in der 3. Klasse Taschenuhrenkunde, Zeichnen und Maschinenkunde die Unterrichtsgegenstände waren. Die Schülerzahl stieg sehr rasch an und erreichte 1886 die Zahl 54, womit vorläufig die Grenze der Aufnahmefähigkeit erreicht war. Ungefähr die Hälfte der Schüler kamen aus Niederösterreich. Der Rest verteilte sich auf die Kronländer der Monarchie von Schlesien bis Dalmatien. 2 Schüler kamen aus der Schweiz, je einer aus Deutschland und Rußland. 20 Schüler waren Söhne von Uhrmachern. Bereits im vorigen Jahrhundert wurden im Werkstättenunterricht Spitzenleistungen erbracht. Dietzschold stellt 1883 fest, dass der Zweck der Lehrwerkstätte erreicht war, die Karlsteiner Uhrmacher hatten ihre Uhren vereinfacht und nach Schwarzwälder Vorbild „messinggespindelt". (Die Triebstäbe waren zwischen Messingscheiben befestigt). Arbeiten an Präzisionsuhren hoher Qualität wurde jetzt das Ausbildungsziel. Neben der Herstellung von neuen Uhren und von Uhrenbestandteilen wurde das Reparieren sehr gründlich gelehrt. Im Jahresbericht von 1897 lesen wir: „Die Schüler lernen fast alle Theile der Uhr formrichtig und schön herzustellen und dies ist heute von höchstem Werth, da leider viele Uhrmacher Neuarbeiten und den Ersatz ganzer Theile einer Uhr nicht machen können." Sehr gut würde dieser Satz auch in unsere Zeit passen, wir könnten damit das Werkstättenprogramm von heute rechtfertigen. In der Großuhrmacherei musste jeder Schüler zwei Uhren bauen, eine 8-Tage-Gewichtzuguhr und eine Federzuguhr. Leistungsstarke Schüler erzeugten Schlagwerksuhren und später Hauptuhren. Auch wurde ihnen der Bau von 4/4-Repetieruhren Wiener Art zugemutet. Die Kleinuhrmacherei (2. und 3. Jahr) verlangte die Herstellung von zwei 18"` Zylinderuhren mit Schlüsselaufzug und von zwei 19"' Remontoiruhren mit Kolbenzahnhemmung. Vorher mussten zwei Echappements für Reiseuhren angefertigt werden. Auch in dieser Abteilung erbrachten einzelne Schüler Sonderleistungen. Wir finden darunter Taschenuhren mit Chronometerhemmung, Taschenuhren mit Chronographen oder mit springenden Ziffern oder mit Datum und mit Mondphasenanzeige. Die Schüler arbeiteten beim Licht der Petroleumlampe und mussten lange Zeit die Zylinder für ihre Taschenuhren selbst herstellen, die Schnecken zum Ausgleich der Federkraft ihrer Uhren selbst schneiden, die Lagersteine drehen und polieren. Heute steht mancher Uhrmacher vor einem unlösbaren Problem, wenn er eine Spirale oder gar eine Breguetspirale ersetzen soll. Enzmann hat mit seiner Schülern Federbänder für Spiralfedern gezogen und die Spiralen gewickelt. Wir sind heute stolz, dass unsere Mikromechaniker Supporte für Uhrmacherdrehstühle bauen und Messuhren erzeugen. Aber auch vor 1900 wurden an der Schule solche Geräte gebaut und erzeugt. Darüber hinaus beschäftigte man sich mit Sonderaufgaben: Wassermesser und Spitzenklöppelapparate wurden erzeugt. Dietzschold wollte Rechenmaschinen bauen und hat darüber theoretische Studien betrieben. Uhren besonderer Art wurden von den Lehrern mit Hilfe der Schüler gebaut. 1889 war es eine Präzisionsuhr für eine Wettersäule in Villach und ein 10" Sekundenregulator für den „Berathungssaal des hohen k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht". Heute stehen uns moderne Maschinen zur Verfügung, uns fehlt jedoch die Zeit. Damals hatte man die Zeit, 50 Stunden Werkstättenunterricht standen in der Woche zur Verfügung. Sonntag war gemeinsamer Kirchgang. Der Direktor und die definitiven Lehrer waren dabei in ihrer Uniform zu sehen und trugen den Degen. Nach dem Gottesdienst traf man sich für den Rest des Vormittags zum zusätzlichen Unterricht. Die Schule wird europaweit anerkannt. Folgende Eintragungen in der Chronik zeugen von der überregionalen Bedeutung der Schule in Karlstein.
Schon 1894 wird berichtet, dass Absolventen in London, Paris, Hamburg, Leipzig und München, aber auch in der Schweiz und in Ungarn arbeiten. Heute können wir diese Liste mit Südafrika, Hongkong, Irland, Schweden, USA und Belgien ergänzen, womit sie sicher noch nicht vollständig ist. 1894 wird der Uhrmacherschule in Budapest ein Lehrgang für den praktischen Unterricht geliefert. Aus Glashütte, wo sich die deutsche Uhrmacherschule befindet, kommt Walter Lange, ein Sohn des Besitzers der berühmten Uhrenfabrik Lange, als Schüler in unsere Schule. |