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Ein
Uhrmacher auf Reisen - Uhrmacherkunst im Siegerland |
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zu Regionale Uhrmacherei im Siegerland
Dieser Artikel von Ian D. Fowler wurde im
Buch "Die Zeit vor Augen
– Standuhren in Westfalen“ (Herausgeber: Jan Carstensen /
Ulrich Reinke; Westfälisches Freilichtmuseum Detmold) in 1998
veröffentlicht und hat Ian Fowler freundlicherweise der
UhrenH@nse zur Veröffentlichung zur
Verfügung gestellt. Ein herzliches Dankeschön an Ian ! Fragen und
Informationen an/für den Autor bitte über die
UhrenH@nse. Von der Turm- zur Hausuhr Gegen Mitte des 18. Jh. entstand im Siegerland genau wie in anderen deutschen Ländern (z.B. im Bergischen Land) unter dem Bürgertum ein Bedarf an Hausuhren. Davor wurde die Zeit von öffentlichen Räderuhren (Turmuhren) oder Sonnenuhren angegeben. Hausuhren blieben bis dann ein Privileg der herrschenden Klassen oder reicher Leuten (z.B. Händler), die Verbindungen zum Ausland hatten und ihre Uhren daher holten. Prunkvolle Amsterdamer oder Londoner Standuhren sowie große französische Pendulen z.B. mit Boulle-Gehäusen befinden sich noch in altem adeligen Besitz. Die ersten signierten Siegerländer Hausuhren waren offensichtlich die Bodenstanduhren oder "Köpfe", die frühestens aus dem letzten Drittel des 18. Jh. zu datieren sind. Inwieweit Turmuhren oder eiserne Wanduhren, wie in Süddeutschland aus dem 17. & 18 Jh. üblich waren, hier hergestellt wurden, ist nicht mit Objekten nachweisbar. Erwähnt werden jedoch einige Uhrmacher, die sich um die örtlichen Turmuhren gekümmert haben. Ende des 17 und Anfang des 18 Jh. taucht der Name einer Familie Richter aus Trupbach in Rechnungen für Turmuhren auf. Es gibt von den Richters bis jetzt keine erhaltenen signierten Siegerländer Uhren aber vom Schwiegersohn des letzten Richter, Hofmann, ab 1773 im Hause Richter, existieren jedoch einige Bodenstanduhren. Die früheste signierte Uhr von Hofmann ist mit 1779 [s. Foto 1,][ Foto 2 Werk] datiert und weist deutlich andere Merkmale und eine andere Bauart als die späteren Uhren [s. Foto 3,] von ihm auf, die den anderen Uhren der Gegend ähneln. Gebrüder Spies, Monopol in Siegen Aus den siebzigen Jahren des 18. Jh. stammen wohl die frühsten Uhren, die mit "Spies Siegen" signiert sind [s. Foto 4,] Eine Uhr trägt den vollen Namen "Johann Georg Spies". Man kann annehmen, daß J.G. Spies etwa um 1770 seine Werkstatt in Siegen gründete; er war dann 23 Jahre alt, heiratete 1771 und in 1774 nahm er J.P. Stahlschmidt als Lehrling an. Im Gegensatz zu Stahlschmidt ist nicht überliefert, ob oder wo er als Uhrmacher lernte, aber er kann vom seinem Alter her kaum die Lehre und auch die Muthsjahre absolviert haben. Zu dieser Zeit gab es anscheinend wenige oder sogar kein Uhrmacher in Siegen denn zu Reparaturen an den Stadtuhren wurde der Uhrmacher aus Trupbach (damals einem angrenzenden Dorf 2 km. entfernt) Hermannus Richter geholt. Obwohl in einem Zunftbrief von 1781 stipuliert wird, woraus ein Meisterstück zu bestehen hatte, kann es durchaus sein, daß mangels einer organisierten Zunft oder entsprechender Konkurrenz diese Bestimmungen nicht erfüllt werden mußten wie in Städten wie Würzburg, wo es viele Uhrmacher gab. Aus dieser Zeit existiert auch eine Tischuhr mit einer Signatur auf dem Zifferblatt "Fl. Le Comte à Nassau Siegen", die sonst in allen Einzelheiten einer Pariser Pendule entspricht und sicherlich aus Paris mit Signatur bezogen wurde. LeComte hat nachweislich 1769 in Siegen geheiratet und ist vermutlich später weggezogen. Er hatte eine Weinkonzession aber es gibt keine Hinweise, ob er Uhrmacher war! Die frühen Uhren von Spies ähneln eindeutig den Uhren von Hermann Achenbach aus Neuwied, von dem es einige erhaltene Beispiele im Siegerland noch gibt. Achenbach wurde 1730 in Marienborn bei Siegen geboren, ging als Mitarbeiter des bekannten Uhrmachers Christian Kinzing nach Neuwied und heiratete dessen Tochter 1751. Achenbach lieferte offensichtlich Uhren nach seiner Heimat, dem Siegerland, denn einige aus hiesigem Privatbesitz existieren noch, die älteste mit dem Datum 1756 und die jüngsten mit dem Datum 1770. Ob er einen Lehrling, also den Spies, aus seiner Heimat ausbildete, ist nicht bekannt. Oder vielleicht hat Spies eine Uhr von Achenbach in allen Einzelheiten kopiert? Auch im Falle des letzteren muß Spies trotzdem die Uhrmacherei irgendwo gelernt haben denn seine Uhren kennzeichnen sich durch eine gewisse Professionalität und er hatte Zugang zu Bezugsquellen für die damals handelsüblichen Uhrenteile wie Emaille- und Fayencezifferblättern und Taschenuhrwerken. Bezeichnend sind jedenfalls für die Spies Uhren die mit den Neuwieder Uhren unbestreitbaren Ähnlichkeiten von Werksaufbau her sowie von den stilistischen Merkmalen des Zifferblatts und Gehäuses:
Die frühen Uhren von Spies sind allerdings etwas kleiner als die zeitgenössischen Neuwieder Uhren. Aus dem fast angrenzenden bergischen Land und dem Sauerland wirken die zeitgenössischen Uhren vom Werke her durchschnittlich gröber als die Spies Uhren. Viele bergische Uhren hatten Stangenwerke in Prismenbauweise; der Werksrahmen sowie die Platinen der anderen Uhren waren fast ausschließlich aus Eisen. Die Bauweise von Spies war ausschlaggebend für andere Siegerländer Uhrmacher besonders im Raume Siegen/Freudenberg. Johann Georg Spies hatte einen jüngeren Bruder, Johann Heinrich Spies, der auch Uhrmacher war und vermutlich arbeiteten sie zusammen. Von den 30-35 bekannten Spies Uhren sind etwa 15% mit Johann Georg, Georg, oder G. Spies[s.Foto 7,] signiert aber nur 2 Uhren mit der Signatur J.H. Spies. Da J.G.Spies sehr früh mit 48 Jahren, 1795 gestorben ist, ist es anzunehmen, daß eine ganze Reihe Uhren mit der einfachen Signatur "Spies" von J.H. stammen. Nach mündlicher Überlieferung kaufte die Firma Achenbach in Marienborn 1806 eine heute noch erhaltene Bodenstanduhr von Spies - also Johann Heinrich Spies-, die mit Wechselschlag und Weckwerk ausgerüstet ist und am Ende des Arbeitstags geklingelt habe. Aber bis zu seinem Tode scheint Johann Georg Spies der bekanntere Uhrmacher gewesen zu sein. Erst 1785 taucht er in den Stadtrechnungen auf, weil er emaillierte Ziffer für die Rathausuhr lieferte.( Ein Bild von Jakob Scheiner zeigt das Zifferblatt dieser Uhr im Giebel des Rathauses mit den weißen Ziffern.) Nach dem frühzeitigem Tode in 1795 von Johann Georg Spies ist es anzunehmen, daß sein Bruder Johann Heinrich die Werkstatt weiterführte. In den ersten Jahren nach dem Tode von Georg wird seine Witwe in den Stadtrechnungen als Empfängerin des jährlichen Entgelts für die Aufsicht über die Rathausuhr aber danach bis zu seinem Tode übernimmt Johann Heinrich die Wartung der Rathausuhr und Kirchturmuhr bis 1811. Er stirbt 1815 aber schon 1813 erscheint Johann Heinrich Schmidt als Aufseher der Stadtuhren. Nur eine Uhr mit den Initialen J.H. Spies ist bekannt. In einem Verzeichnis der Arbeiter und Gesellen in der Municipalität der Stadt Siegen aus dem Jahre 1809 erscheint Johann Heinrich Spies als Uhrmacher mit einem Mitarbeiter. Dieser Eintrag deutet nicht auf eine große Werkstatt mit einer umfangreichen Produktion aber zu dieser Zeit befand sich Siegen unter französischer Herrschaft. Aus dieser Zeit stammen vielleicht die Werke mit Eisenplatinen. In den Dillenburgische Intelligenz-Nachrichten, den 24. May 1783 unter "Künste und Wissenschaften" erscheint folgende Anzeige:
Diese Uhr erinnert an die Flötenuhren von Kinzing und Achenbach in Neuwied, die in Gehäusen von Roentgen eingebaut wurden. Vier Jahre später beantragt J.G. Spies eine Lotterie, um Uhren zu verkaufen. Eine Anzeige in den Dillenburger Intelligenznachrichten am 3. März 1787 informiert darüber:
Noch eine Anzeige erscheint in den Dillenburger Intelligenz-Nachrichten am 29.Nov. 1794:
Diese Anzeigen gewähren uns einen weiteren Einblick in die Tätigkeiten von der Firma Spies als die vorhandenen Uhren, die uns erhalten sind. Keine "musicalische Tafeluhr" von Spies ist heute bekannt. Es ist fraglich, ob es eine entsprechende Kundschaft im Siegerland oder Umgebung für solche Uhren gab. Die Musikuhren von Kinzing & Achenbach wurden an europäischen Fürstenhöfe durch die Verbindungen von Roentgen verkauft und Spies verkehrte wohl in solchen Kreisen nicht. Wenn man die Anzeigen glauben kann, war Spies ein anerkannter Uhrmacher und wird sogar Künstler genannt. Die Frage stellt sich, ob es sich um die selbe Musikuhr in den Anzeigen von 1783 und 1787 handelte, und in dem Falle wäre sie ein Ladenhüter gewesen. Die Tatsache, daß Spies eine Lotterie veranstalten will, um vielleicht eine Liquiditätskrise zu überbrücken, erinnert an den Geschäftssinn und Praxis von Roentgen. Offensichtlich verkaufte Spies auch Taschenuhren. Ein Fragment einer solchen Taschen- oder Sackuhr ist im Freudenberger Stadtmuseum zu sehen. Die Uhr ist aber nicht in der Werkstatt von Spies hergestellt sondern aus der Schweiz oder Frankreich bezogen worden vielleicht sogar mit seinem eingravierten Namen. Dieser Praxis war schon viel früher üblich und die Uhrmacher bedienten sich dieser Bezugsquellen. Die großen Emaillezifferblätter an den Bodenstanduhren von Spies stammen aus dem Raume Neuenburg/Schweiz. Sie waren am Ende des 18 Jh. bei deutschen Uhrmachern sehr beliebt. Sie sind entweder über Zwischenhändler oder Jahresmessen wie in Frankfurt bezogen worden, die Taschenuhren und anderen Teile vermutlich auch. Allerdings berechnete Spies bei der Beschaffung der Ziffern der Rathausuhr Postgeld. Von den vorhandenen Uhren und den Hinweisen in den Anzeigen kann folgende Liste über die Arbeiten der Gebrüder Spies erstellt werden:
Zu den Merkmalen der Bodenstanduhrwerke von Spies Die einfacheren Werke mit 30 Stunden Gangdauer haben zwischen viereckigen oder hochrechteckigen Platinen 3 Räder,2 Triebe und Anker für das Gehwerk (Antriebsrad, Zwischenrad und Trieb, Ankerrad und Trieb) und für das Schlagwerk 3 Räder, 3 Triebe und den Windfang für das Schlagwerk (Antriebsrad mit Hebnägeln, Schöpferrad und Trieb, Anlaufrad und Trieb, Windfang mit Trieb). Die Zahnzahlen der Räder sind bei diesen Uhren unterschiedlich aber die Triebe des Gehwerks haben 6 Zähnen sowie beim Schlagwerk mit Ausnahme des Schöpferradtriebs, der 8 Zähne hat, wenn ein Doppelschöpfer verwendet wird. Eine rückführende Ankerhemmung ist in allen bekannten Uhren und der Anker wird manchmal direkt zwischen den Platinen gelagert und manchmal mit einer separaten Brücke auf der Hinterplatine gelagert. Auf der Vorderplatine auf der Achse des Antriebsrads sitzt das Wechselrad mit großem Messingtrieb für das Zeigerwerk. Das Schlagwerk wird durch einen Stift am Minutenrad ausgelöst. Die Schlagwerkskadratur besteht aus einem seitlich fallenden Rechen, Doppelschöpfer, Auslösehebel und parallel darüber die lange Rechenklinge. Die Hebel sind sowohl aus Stahl als Messing und manchmal aus beiden Materialien zusammengesetzt. Diese Anordnung findet man bei den Neuwieder Uhren von Kinzing und Achenbach. Bei einer vorhandenen Uhr von Spies wird der Auslösehebel und Rechenklinge in einem Hebel kombiniert [s.Foto 8, ]. Der Stundenstaffel wird an dem Stundenrad vernietet. Die senkrechte Hammerwelle ist bei diesen Uhren auf der Hinterplatine montiert. Am unteren Ende der Welle greift ein Lappen durch die Platine und wird von den Hebnägeln am Antriebsrad weggedrückt. Die Hammerfeder wird an der oberen Hammerwellenhalterung eingekeilt. Diese Hammerwelle wird bei den späteren Uhren und 8 Tagegänger oberhalb des eigentlichen Werkes durch eine separate winkelförmige Halterung gelagert [s.Foto 9]. Der hieraus resultierende große Lagerabstand hat den einen Vorteil, daß die Welle fast über ihrer ganzen Länge gelagert wird und dadurch nicht so schnell nach einigen Jahrzehnten Verschleiß 'wackelig' wird; außerdem kann auch dadurch die Feder verlängert werden, die meistens in eine rückseitige Verlängerung des Lappens eingreift. Fortsetzung siehe Buch .... |
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