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Die Arbeit eines Uhrmachers
© Technisches Museum (Gebhardt), Nürnberg


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Die Arbeit eines Uhrmachers

Diese Bild wurde nach der Neugestaltung unseres Geschäftes aufgenommen. Es zeigt die Uhrmacherwerkstatt. Der folgendende Bericht wurde von einem unserer Uhrmacher geschrieben. Es handelt von der Restaurationsarbeit an einer Spindeltaschenuhr von Sanders London 1680, die in unserem Haus originalgtreu wieder hergestellt wurde. Der Bericht zeigt sehr schön, wie verbunden ein Uhrmacher mit einem "Liebhaberstück" sein kann.

 

Zustandsbeschreibung:

Es handelt sich hierbei um eine hohe, englische Sackuhr mit durchbrochenem Silbergehäuse, die offensichtlich wegen des beweglichen Pendants, mit einer Repetiereinrichtung versehen ist. Eine Betätigung wies jedoch keinerlei Reaktion auf. Das Uhrwerk wird durch einen Staubcontainer, der ebenso wie die Rückplatine signiert ist, geschützt. Der Uhrmacher ist leider im Bailly/Britten nicht verzeichnet, was eine Datierung sehr erschwert, zumal auch im Gehäuseboden, nach dem Entfernen der Glocke keinerlei Zeichen oder Hallmark vorhanden sind. Eine pauschale Datierung ist deshalb recht schwierig, weil die Bauhöhe und -form auf die Mitte des 18. Jahrhunderts hinweist. Die vollendete Ausführung, weist auf das beginnende 19. Jahrhundert hin. Auch eine Nachberechnung des fehlenden Schlagwerkrädersatzes (4 Räder fehlen) weisen auf das 19. Jh. hin. Die Triebe sämtlicher Räder setzen eine 7er Triebzahnzahl voraus, im 18. Jh. waren 6er Triebe üblich. Die Ursache für die fehlenden Räder, ebenso für den traurigen Zustand div. anderer Teile, dieser wertvollen Uhr, liegt an einem völlig unsachgemäßen Eingriff. Es fehlten zwei Vorsteckstifte der Platinenbefestigung, wodurch auch die anderen Räder nur jeweils in einer der Platinen steckten. Es war nur ein Zufall, daß diese Teile überhaupt noch vorhanden sind. Weiterhin wurde festgestellt, daß der Rest der Kette einfach am zweiten Umgang der Schnecke, angelötet wurde. Selbst diese Arbeit ist mißlungen, da das Zinn so reichlich aufgetragen wurde, daß die Schnecke komplett mit dem Schneckenrad, Sperrad und Sperrkegel verlötet wurde. Nach dem Entfernen des wunderschönen, faßt perfektem Emaillezifferblattes (beides, Zeiger und Zifferblatt sind im schönsten Barockstil gehalten, die Zeiger in Gold) kam die nächste Überraschung.

Sichtbar wurde eine, in schönster Hochglanzpolitur gehaltene Quadratur des Schlagwerkes in einer ungewohnten, sehr soliden Ausführung. Die Alles oder Nichts (tout or rien) Einrichtung wirkt hier jedoch nur auf die Viertelstundenschläge. Aber auch hier hinterließ der "Täter" seine Spur. Opfer war das Viertelrohr mit Viertelstundenstaffel und Vorfall. Auch in diesem Fall suchte er sein Heil im Zinn. Es war der bewegliche Vorfall (der beim Repetierenlassen des Schlagwerkes zur vollen Stunde vorschnellt und damit ein Schlagen der Viertelstunden verhindert) der einfach mit der Viertelstaffel verlötet wurde. Außerdem fehlte der Winkelhebel, der unterhalb des Vorfalls an diesen angenietet ist und der Weiterschaltung der Stundenstaffel dient. Ein weiteres hantieren auf dieser Uhrwerksseite hat natürlich seine Spuren auf der Politur hinterlassen.

Beim weiteren Zerlegen der Uhr stellte sich heraus, daß die Feder vom Schlagwerk fehlt und die Aufzugsfeder am Zaum (außen) gebrochen ist. Des weiteren fehlte ein Mitnehmerhebelchen vom Stundenschlagwerkshebel sowie das verzahnte Segment mit Regulierschlüssel für die Unruhspirale.

 

 

Reparatur:

In der Reihenfolge der bisherigen Aufzählung ging es dann auch an die Reparatur und Anfertigung der Teile. In einer kleinen Rechnung ermittelte ich, wie schon erwähnt, die 7er Triebe (ausgehend davon, daß ein Schlag etwa 1 sek. entspricht). Da durch die vorhandenen Zapfenlöcher die Eingriffe gegeben waren, wurden die Räder ohne grössere Probleme konstruiert und entsprechend mit Hilfe der Teilkreisscheibe im Drehstuhl angefertigt und in der historischen Wälzmaschine finiert. Da es so gut wie ausgeschlossen ist, heutzutage noch gewünschtes Triebmaterial zu bekommen, mußte ich etwas größere als die gewünschten, nehmen, was sich in einer, etwas höheren, aber durchaus noch mitzählbaren, Geschwindigkeit bemerkbar macht.

Als Schlagwerksfeder arbeitete ich eine Aufzugsfeder einer alten Damenzylinderuhr um. Diese mußte um ca. 1 Drittel gekürzt werden und ein spezieller Zaum für das kleine Federhaus angebracht werden.

Die Schnecke mußte mit Hilfe der Spiritusflamme ,,entlötet" werden. Beim Entfernen des Zinns war ein kleiner Glasfaserpinsel ein unentberliches Hilfsmittel (wenn man nicht auf eine aggressive Kratzbürste zurückgreifen will). Die ursprüngliche, solide Feuervergoldung ist durch diese, höchst überflüssige Pfuscherei, leider zerstört worden (Zinn legiert mit Gold). Nach dem gründlichen Reinigen und einer kleinen Überarbeitung des Sperkegels, funktionierte der kleine Mechanismus wieder einwandfrei.

Die Kette mußte ebenfalls gründlich gereinigt werden und durch ein 2 cm langes Stück, welches, durch die o.g. Verlötung, stark angerostet war, ersetzt werden. Das, vermutlich durch den Federbruch, abgerissene Kettenstück, zum Glück noch vorhanden, wurde ebenso wie die, zuvor angefertigten Kettenhaken, sicher angenietet.

Die Reparatur der Viertelstaffel erwies sich als ein aufwendiges Geduldsspiel. Auch hierbei wurde nicht mit Zinn "gespart". Eines der Probleme war allein das Zerlegen dieses Kleinteils. Dies gelang nur bei einem Arbeiten über der Spiritusflamme, da das Befestigungsröhrchen mit Vorreibung (was die Bewegung des Vorfalls ermöglicht) vollkommen verlötet war (siehe Abb.). Nachdem auch hier alle Teile gründlich vom Zinn befreit worden sind, mußte an die ca. 0,2 mm starke Scheibe (Vorfall) ein kleiner Winkelhebel angebracht werden. Dessen Herstellung erwies sich deshalb als sehr schwierig, weil, im Gegensatz zu den französischen Ausführungen die Stundenstaffel oben und der Schaltstern unten liegt, sodaß der Hebel an der Staffel vorbei, ohne ihn zu behindern, den Schaltstern, mit ausreichender Sicherheit, betätigen kann. Aber auch dieses Geduldsspiel gelang schließlich, sodaß auch dieses kleine Bauteil wieder sicher arbeitet.

Das Anfertigen des Hammerhebelchens verlangte ein Höchstmaß an Sorgfalt und Genauigkeit; es muß ohne Spiel auf der Hammerwelle leicht gleiten. Es muß den Hammer sicher bei allen 12 Schlägen mitnehmen und ebenso sicher durch eine kleine Feder in seine Ausgangsstellung zurückgleiten lassen. Dies gelang mir dann schließlich beim 4. Versuch.

Das Reguliersegment fertigte ich an, indem ich vorher einen vollständigen Ring drehte, der das erforderliche, der Zierplatine entsprechende, Profil erhielt. Daraus sägte ich mit der Laubsäge ein entsprechend großes Stück aus und versah es mit der äußeren Verzahnung. Die Nase, die innen stehen blieb, wurde dann mit zwei kleinen Stiften versehen, die dann die Funktion des Spiralschlüssels übernehmen konnte.

Als Letztes fertigte ich dann einen neuen Federzaumfür die Aufzugsfeder an. Dieser besteht aus dem eigentlichen Haken, der recht massiv ist und einen kleinen Rundteil, mit Hilfe dessen der Haken an die Feder angenietet wird. Nachdem er seine äußere Form erhielt und in den Federhausausschnitt eingepaßt wurde, spannte ich das komplette Federhaus im Stufenfutter der Drehbank ein und drehte die etwas überstehenden Stellen ab, sodaß das Federhaus wieder eine kantenlose Außenrundung erhielt (was bei dem sehr geringen Platzangebot zwischen Federhaus und anderen Uhrwerksteilen wichtig ist zum einwandfreien Ablaufen der Kette).

Nachdem alle Räderzapfen poliert, die dazugehörigen Lager erneuert, alle Schrauben überarbeitet und alle Teile gereinigt worden sind, konnte nun die Uhr zusammengebaut und fertiggestellt werden. Am Gehäuse brauchte lediglich die Druckknopfarretierung unterhalb des Pendants entrostet und die, durch Rost unbrauchbar gewordenen Schrauben, erneuert werden. Nach einer leichten Politur, war auch dieses Teil fertig.

Ich wünsche nun dem Besitzer, der durch diesen kleinen Aufsatz etwas an meiner Arbeit teilhaben konnte, recht viel Freude, er möge aber auch, daran denken, daß es sich hierbei um eine arg strapazierte Antiquität handelt, die nicht wie ein altes Gemälde geduldig über die Jahrhunderte an der Wand hing, sondern dem stolzen Besitzer immer ein zuverlässiger Weggefährte und Zeitmesser war, der immer wieder und zum Gehen gebracht wurde, um dann zu guter letzt von einem Pfuscher traktiert wurde. Also, lieber Sammler, denken Sie daran, daß diese wertvolle Uhr im Grunde ja nur eine Leihgabe der Geschichte an Sie ist, die Sie aber gleichzeitig verpflichtet, diese dereinst wohl gepflegt in andere Hände weiterzugeben. Führen Sie die Uhr nur an besonderen Tagen vor, so wird Sie Ihnen noch lange Zeit Freude bereiten.



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